kozek hörlonski

Ohne Positiv (Halleiner Fassung)

Kunstraum Pro Arte, Hallein 2018

Performance innerhalb der Ausstellung Der Klang der Sterne von Maria Peters. Wurde 1818 Stille Nacht ursprünglich ohne Positiv gespielt und komponiert, weil ein solches schlichtweg nicht vorhanden war, so verfasste Franz Xaver Gruber am 12. Dezember 1836 eine Version mit Orgelbegleitung. Diese so genannte Halleiner Fassung spielte er von nun an jährlich am 24. Dezember. Thomas Hörl und Peter Kozek suchen in ihrer neuesten Performance nach dem verbliebenen Negativ und tragen wie einst die Schöpfer dieses weltberühmten Liedes die Performance zweistimmig vor:

Ohne Positiv (Halleiner Fassung)

1
Mein erstes Kebab-Erlebnis war in Hallein, man ging gerne und oft „zum Türken“ und hat dort auch getrunken. Es gibt noch Jugendkulturen die sich Grufties, Independents, Punks, Skinheads oder sonstwie nennen. Viele Menschen aus der Runde leben gar nicht mehr. Glaubt man der Halleiner Zeitung so sind natürlich Sekten und Cliquen schuld welche die jungen Menschen in den Selbstmord trieben. Andere sind nicht minder dramatisch ums Leben gekommen. Gestorben wird immer. Die Stille Nacht ist Wirklichkeit geworden. Nicht für mich, und heilig wird sie nie wieder sein. Diese Psychose der Menschheit habe ich nur für ein paar Jahre mitgemacht: freiwillig allerdings. Fromm betend vor den zahlreichen Glückwunschbillets zur bestandenen Erstkommunion. In der Kirche Ministrant sein. Es gab hohe Ziele die einfach zu erreichen sind. Nicht so wie heute. Ein Heute ist immer Ohne Positiv. Nie sind die wirklich guten Instrumente zur Verfügung. Man schleppt sich von einer Improvisation in die nächste. Man denke dabei auch an die zwischenmenschlichen Abgründe.

2
Diesen besonderen und exotischen Geschmack des Kebabs bekommt man nie wieder zurück. Vielleicht ist das der Fluch eines jeden „das erste mal“, es wird danach nie wieder gleich. So wenig wie Weihnachten nie die ersten bewusst erlebten Feste wiederbringen. Hallein wurde immer „Klein Istanbul“ genannt. Eigentlich könnte man genausogut „Klein Hallein“ zu Adnet sagen. Und überhaupt warum fahren die alle einen BMW? Rundum gab es Diskussionen darüber, und ein ganz besonders feiner Herr hat dann wenigstens ein Volksbegehren gestartet. Die Stille Nacht gilt aber mittlerweile auch für ihn. Auch er ist BMW gefahren. Statussymbole überall. Wo bleibt mein Pferd, wo bleibt mein Pferd? Stimmt das wurde mir auf ewig verweigert obwohl es sogar noch einen Stöckelboden in unserem Stall gab. Dafür arbeite ich jetzt neben der Wiener Trabrennbahn samt Stallungen. Doch der angenehme Duft von Pferden ist schon lang dahin. Die Hälfte der Ställe sind futsch und bald wird die nächste Perle Wiens verbaut. Eine rot-grüne Stadtregierung hat es geschafft das ganze Areal den Haien zu verfüttern, gegen einen minimalen Futtersold. Eine Schattenseite eben wie in Hallein.

3
In Salzburg herrscht der Mainstream. Alle durften ihr selbst gebasteltes Kripperl nach Tennengauer Art am Adventmarkt verkaufen – nur ich musste meines dem Altersheim spenden. Der Beweis steht samt Foto in den Tennengauer Nachrichten geschrieben: Dezember 1988, genaues Datum derzeit nicht eruierbar. Bei den meisten Heiligen Nächten wird eben nur eine bis zwei Strophen gesungen. Eine dritte gilt bereits als besonderer Luxus. Wer kennt den Text? Erstens wird uns hier das Heil gebracht und zweitens dürfen wir uns von den goldenen Höhen berauschen lassen. Ich selbst bin auch schon mal auf die Barmstoa gegangen. Ein wahrlicher Höhenrausch. Geschuldet aber eher den formalen Umstände denn der echten Höhe: die beiden Felstürme haben nur 841m und 851m. Vergessen Sie nicht die 447m über den Adriaspiegel von Hallein abzuziehen, sollten Sie nicht gerade aus Triest losstarten wo unser aller Nullpunkt liegt. Die Stille Nacht da oben zu suchen hingegen ist dann freilich wieder ein Minderheitenprogramm: Ohne Positiv in Menschengestalt. Ohne Positiv in Menschengestalt.

Für Twinnie

Collage: Stille Nacht, kozek hörlonski 2018, Bildrecht Wien. Zeitungsausschnitte: 1 Chronik Hauptschule Golling Schuljahr 1988/89, danke an Heinz Kaiser und Josef Schreder. 2 Halleiner Zeitung, Frühsommer 1991, privates Tagebuch, danke an Valerie Besl.

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